der Innenarchitekt Florian Kienast während seines Vortrages

Wir treffen den Innenarchitekten Florian Kienast in München anlässlich des Fachsymposiums „F&B in der Hotellerie“, wo der Lüneburger über Raumkonzepte und Flächeneffizienz in der Hotelgastronomie referiert. Mit seinem Büro formwænde, das er 2001 gründete, entwickelt er Designkonzepte für deutsche und internationale Marken. Das Team aus Innenarchitekten und Produktdesignern konzentriert sich vor allem auf die Gestaltung von Hotels und Gastronomiebetrieben sowie das ReDesign bestehender Objekte. Zu den Hamburger Referenzen des Büros zählen das „Störtebeker“ in der Elbphilharmonie, die Rooftop-Gastronomie „clouds“ in den Tanzenden Türmen sowie die Restaurants „Heritage“ und „Coast“ mit Blick aufs Wasser.

Portrait Florian Kienast

Wie definieren Sie modernes Hoteldesign?

Wichtig für mich ist, dass das Hotel nicht jedem Trend hinterherläuft. Dass es eine ganz klare eigene Aussage, ein eigenes Storytelling hat. Das können klassische Elemente sein, die im Hotel vorhanden sind, gepaart mit ganz modernen, extravaganten Dingen. Daher ist es schwierig, eine genaue Definition zu geben. Ich denke, es kommt vor allem darauf an, dass man hereinkommt und sagt: „Wow, das habe ich so nicht erwartet, das packt mich und ist ein emotionales Erlebnis.“ Das können ganz vielschichtige Dinge sein – vor allem ist es wichtig, dass eine Geschichte erzählt wird und der Gast sich wie zuhause fühlt. Das kann ein schickes, modernes Landhaus sein, auch das gibt es natürlich mittlerweile ganz oft. Das kann aber auch ganz spacig-abgedreht sein, je nachdem welche Zielgruppe sich da zuhause fühlt. Deshalb gibt es für mich keine genaue Kategorisierung, was modern ist und was nicht. Moderne gab es auch vor 100 Jahren schon – wir erleben ja gerade das 100ste Bauhaus-Jubiläum und dass Dinge auf einmal wieder aufpoppen, die bereits seit 80 Jahren Bestand haben.

 

Wie gehen Sie im Team an einen neuen Auftrag heran?

Der klassische Weg ist: Wir hoffen, dass der Kunde einen Fragen-Ziel-Katalog beantwortet, den wir ihm vorgeben. „Was möchtet Ihr erzählen? Welches Speiseangebot gibt es? Welche Preisrange?“ Das sind vor allem Hard Facts, auch wirtschaftlicher Art. Und dann kommt natürlich das Emotionale hinzu. „Wie seht Ihr euch?“ Und dann sitzen wir im Team bei uns im Büro dazu zusammen, jeder gibt seinen Input dazu, entwickelt eine Meinung – und dann entsteht daraus ein Designkonzept, mit dem wir an den Auftraggeber herantreten und ihm die Geschichte dahinter erzählen. Dann gibt es noch diese oder jene Richtung, die man einschlagen könnte und die dann gegebenenfalls korrigiert wird. Zum Glück lief es bisher fast immer sehr gut und reibungslos, sodass der Kunde das Konzept akzeptiert hat und in unsere Richtung mitgegangen ist. Und dann gibt es natürlich immer ein paar Anpassungsschleifen, die man dreht – aus funktionalen oder wirtschaftlichen Gründen. Also: Wir präsentieren ein Konzept, begeistern den Kunden von der Idee und nehmen ihn mit auf die Reise. So ist unsere Herangehensweise.

Das Restaurant Heritage in Hamburg.

Florian Kienast versucht mit seiner Arbeit stets, ein vielfältiges Angebot zu schaffen – wie hier im „Coast“.

Das Restaurant in den Tanzenden Türmen von Hadi Teherani.

Das Restaurant in den Tanzenden Türmen von Hadi Teherani ist mit Liebe und Detailtreue gestaltet und bietet atemberaubende Ausblicke.

Foto: © David Burghardt/teNeues Digital Media 

Das Restaurant Heritage in Hamburg.

Das Heritage setzt kulinarisch auf Tradition, die es modern interpretiert. Für die Kunst installierte formwænde Fotografien von Sacha Goldberger (Paris), der Helden der Popkultur im Look des 17. Jahrhunderts inszeniert.

Foto: © Andrea Flak Fotografin, Hamburg

Im Restaurant der Elbphilharmonie.

Das Restaurant in der berühmten Elbphilharmonie

Foto: © Störtebeker Elbphilharmonie GmbH

Sie machen viel Redesign und optimieren Ihre vorhandenen Projekte weiter. Wie gehen Sie an so ein Redesign heran?

Wenn man sich beispielweise die Städte an der deutschen Küste anschaut, die weitgehend gestalterisch und infrastrukturell noch im Dornröschenschlaf sind, dann denke ich, dass es da in Sachen Redesign viel Nachholbedarf gibt, alteingesessene Hotels umzubauen, neu zu gestalten. Da gibt es bereits ein paar Hotspots, aber trotzdem liegt hier für Planer noch ein gigantischer Markt, auf dem sie sich austoben können. Wenn wir Redesign-Konzepte bearbeiten und mit unseren Auftraggebern sprechen, geht es zunächst darum, deren Kernkompetenz herauszuarbeiten. „Was macht Euer Haus seit Jahren aus? Warum kommt eine bestimmte Gästeklientel immer wieder? Was seid Ihr im Kern?“ Das ist für die Gastronomen und Hoteliers manchmal sehr schwer zu beantworten. Also müssen wir oft Nuancen heraushören und dann überlegen, wie wir das Haus verändern können, ohne ein komplett neues Konzept überzustülpen, mit dem die Stammgäste nichts anfangen können. Demgegenüber steht die neue Generation, die zunehmend reisefreudig und kaufkräftig ist und mit vielen alten Dingen gar nichts mehr anfangen kann. Das ist dann eine Gratwanderung: Von dem Alten genug bewahren, aber auch ganz viel Neues entstehen lassen. Dann gehen wir durch das ganze Haus und machen Vorschläge, was man besser bzw. anders machen kann, ohne das ganze Hotel auf den Kopf zu stellen. Wenn man sieht, dass die Gästezahlen steigen, sich die Gästestruktur aber verändert, wäre es an der Zeit einiges anzupassen. Es wird ja auch vermehrt Urlaub im eigenen Land gemacht. Da sieht man in vielen Regionen Nachholbedarf.

 

Welche Rolle spielen „Instagrammable Moments“ in Ihren Konzepten?

Wir hatten bereits einige Projekte, bei denen „Instagrammable Moments“ von Kundenseite ganz klar gefordert waren. Ob man das persönlich gut findet oder nicht, sei dahingestellt. Wenn man sich die jungen Menschen anschaut, ist es für diese Zielgruppe Standard, Instagram in ihren Lebensalltag mit einzubeziehen. Wenn man das nicht berücksichtigt und gewisse Parameter nicht richtig setzt, dann wird man von denen gar nicht beachtet. Wir sind ja nicht nur in der Hotellerie und Gastronomie unterwegs, sondern haben auch den Bereich Retail – da wird das noch viel stärker gespielt, gerade im Bereich Fashion. Da ist es ein Muss. Die junge Generation wird immer Bilder- und Video-affiner, moderne Technik ist für sie Standard – und das müssen wir in einer gewissen Art und Weise auch in die Gestaltung mit einbeziehen. Ob das überdiemnsionale Videowalls sind oder LED-Wände, die irgendwann auch Standard sein werden – all das wird für eine gewisse Zielgruppe immer mehr an Bedeutung gewinnen. Natürlich wird es auch den klassischen Weg geben – Leute, die das gar nicht wollen. Ob das alles in ein paar Jahren noch so sein wird, weiß man nicht, aber im Moment ist es sehr prägnant in allen Projekten, die wir machen. Gefragt sind einzigartige Dinge, die es nur an diesem einen Standort gibt. Ob es die höchste Rooftop-Bar der Stadt ist oder eine Story, die nur an diesem Ort erzählt werden kann – das sind die Dinge, die sich für Instagram eignen. Geschichten, die so fotografierenswert sind, dass alle sie teilen und um die Welt schicken wollen.

 

Als Hotelgast soll man das Gefühl haben, nach Hause zu kommen. Was bedeutet das für die Gestaltung von Eingangsbereichen?

Das Ankommen muss ein positives Wohlfühl-Erlebnis sein – das hängt auch von den nicht sichtbaren Dingen ab – beispielsweise Duft. Licht wird immer wichtiger, außerdem vertraute Dinge, die man kennt, beispielsweise „Wirtshausdesign“, das gerade in München sehr populär ist. Das kennt man von früher, wenn man mit Oma und Opa unterwegs war – das löst Emotionen aus mit allen Attributen, die man von früher damit verbindet. Es sind meiner Meinung nach vor allem Dinge, die man nicht sofort greifen kann, die an eine bestimmte Zeit erinnern, mit denen man die Gäste emotional erreichen kann. Das Entree muss persönlich, einladend und emotional sein, nicht kühl und abweisend – sicher gibt es aber auch Konzepte, die eine strenge, kühle Architektur fordern für bestimmte Zielgruppen. Jedenfalls gibt es natürlich auch immer funktionale Notwendigkeiten, wie zum Beispiel eine Sauberlaufzone, die ist natürlich unabdingbar. Je mehr Farben es hier gibt, desto besser für uns Planer. Je mehr Oberflächenstrukturen und je detailverliebter das Ganze gemacht ist – technische Ausführung, Farben der Profile, Überbordung und solche Dinge – desto hilfreicher für uns. Je unsichtbarer die Sauberlaufzone, also je besser optisch integriert, desto besser. Wenn die Farben und die Großflächigkeit viel hergeben, hilft das enorm.

Das Restaurant Irmi im Hamburger Le Méridien.

Storytelling: Das Restaurant Irmi im Hamburger Le Méridien ist nach der Haushälterin der Serienfigur Monaco Franze benannt.

Foto: © Patricia Parinejad

Das east Hotel in Hamburg.

Auf Basis des Designkonzepts des Chicagoer Architekten Jordan Mozer begleitet Florian Kiensat mit seinem Team seit 2004 die Entwicklung des east Hotel Hamburg. Den „east cosmos“ führt formwænde mittlerweile auch in weiteren Locations für die east-Gruppe fort.

Foto: © Andrea Flak Fotografin, Hamburg

Im Restaurant der Elbphilharmonie

Im Restaurant der Elbphilharmonie diniert man mit Hamburg-typischem Ausblick. ​​​​​​

Foto: © Störtebeker Elbphilharmonie GmbH

Ihre bisherigen Projekte bewegten sich vor allem im hochpreisigen Segment. Schauen wir auf Airbnb – da gibt es oft für wenig Geld spannende Unterkünfte. Was muss gutes Hoteldesign leisten, damit Hoteliers hier konkurrenzfähig bleiben?

Was das Design betrifft, ist es sicher so, dass ich durch ein emotionales Ergebnis den Gast packen muss. Airbnb ist natürlich in gewisser Weise begrenzt. Da kann vieles individuell sein, aber welche Sinneswahrnehmung habe ich, wenn ich ein Hotel oder ein Restaurant habe? Ob es Gerüche oder Klänge sind – solche Dinge kann ein Hotel natürlich viel besser ausspielen. Da wird das Hotel wahrscheinlich immer eine Nuance voraus sein, weil sich gewisse Dinge privat einfach nicht stemmen lassen. Was das Design betrifft, bietet Airbnb natürlich auch gewisse Dinge, die ein Hotel nicht leisten kann – diese tiefgreifende Individualität eines privaten Ambientes. Das kann ein Hotel wirtschaftlich nicht bieten. Was weniger ein Designfaktor ist, ist zudem das Personal. Wie werde ich empfangen? Wie ist der emotionale Austausch der Menschen miteinander? Am Ende geht es doch häufig um den Kontakt der Menschen untereinander. Ich kann natürlich ein ganz tolles Zimmer oder eine Wohnung über Airbnb kriegen, bin aber allein und muss mich erst auf die Reise begeben: Wo ist was? Wo ist der Lichtschalter? Wo finde ich andere Dinge? Ich glaube, da sind Grenzen gesetzt, die man als Airbnb-Vermieter kaum überwinden kann.

 

Apropos Personal: Es gibt ja mittlerweile Hotels, die beim Personal auf „Typen“ setzen als Teil der Story, weniger auf klassische Ausbildung …

Natürlich muss man eine fundierte Ausbildung mitbringen, um zu wissen, auf was es im Gastgewerbe ankommt. Aber mit Sicherheit kommt es beim Personal zunehmend darauf an, welche Sparte bedient wird. Nehmen Sie ein italienisches Restaurant: Da muss natürlich der Pizzabäcker her. Je nachdem, welche Position er einnimmt, ist es vielleicht auch egal, was er vorher gemacht hat. Hauptsache, er kann sich gut verkaufen und die Menschen kommen, um ihm beim Pizzabacken zuzuschauen. Ich glaube, das wird langfristig beim Personal-Recruiting immer wichtiger werden. Weg von der klassischen Ausbildung hin zu gewissen Typen für gewisse Konzepte – je nachdem, wie nischentief die Konzepte werden. Natürlich muss eine fundierte Ausbildung in der Hotellerie und Gastronomie trotzdem bis zu einem gewissen Grad vorhanden sein.

Über Hoteldesign, Instagram und die Zukunft des Gastgewerbes

Ein Gespräch mit Florian Kienast
Geschäftsführer des Innenarchitekturbüros formwænde

 

Eine persönliche Frage: Wo steigen Sie selbst auf Reisen am liebsten ab?

Da ist alles mit dabei, je nach Reise. Wenn ich für mich sein und ausspannen will, bevorzuge ich kleine Landhotels, die auch gern sehr abseits liegen dürfen. Es kann aber auch was Tolles mitten in einer Großstadt sein – da muss das Design nicht überragend sein, weil ich sowieso immer draußen bin. Ich gehe sehr viel zu Fuß, auch durch die Seitengassen, um den Spirit der Stadt aufzunehmen. Bedingt durch drei kleine Kinder geht es aber auch mal auf den Reiterhof oder an die See. Es ist also alles dabei. Ich gehe aber sowieso selten in Hotels, die ich bereits kenne, weil ich neugierig bin und gern immer wieder Neues entdecke. Dann muss ich natürlich damit leben, dass meine Erwartungen nicht immer erfüllt werden. Aber auf diese Weise sieht man natürlich auch, was alles geht und passiert.

 

Abschließend würde ich gern Ihre Meinung zur heutigen Veranstaltung hören …

Alles, was ich bislang gesehen und gehört habe, bestärkt mich zum einen auf der Reise, die wir mit Hoteliers und Gastronomen machen möchten: Storytelling, die eigene Identität nicht verwässern, sondern auf den Punkt bringen – da haben wir heute viele schöne Beispiele gesehen.

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